„Was macht die Ebbe denn während der Flut?“
… diese Frage ist wirklich gut!
Das finden auch wir, die wir hier (fast) an der Küste wohnen. Die Frage stellten die „Nicolaispatzen“, die Kleinen des Kinderchores St. Nicolai, als sie mit ihren schon erstaunlich kräftigen Stimmen beim diesjährigen Sommerkonzert den umwerfend lustigen „Warum-Song“ von Markus Reyhani intonierten. Hand auf’s Herz, wer weiß denn schon wirklich, woran das Tote Meer gestorben ist oder wann die Milch in der Milchstraße sauer wird?
Doch man soll Pferde bekanntlich nicht am Schwanz aufzäumen – also von vorne: Am 22. Juni 2025 waren wir nachmittags in die St. Nicolaikirche in Wittmund eingeladen, um uns vom Sommerkonzert „Viva la Vida!“ („Es lebe das Leben!“) zur puren Freude am Dasein inspirieren zu lassen. Nachdenkliche Töne wurden dabei nicht ausgeblendet; so erinnerte der Jugendchor beispielsweise mit seinem Lied „Can you hear me?“ daran, dass nicht alle Menschen gleichermaßen die Möglichkeit haben, mit ihren Ohren freundliche Worte anderer Menschen zu hören oder die Schönheit der Musik zu genießen. Doch auf wundersame Weise schienen alle Moll-Gedanken nach Dur umgesetzt und die Leichtigkeit der Lebensbejahung war allen auf die Zunge gelegt, hüpfte fröhlich durch alle Tonarten und alle beteiligten Chöre der Gemeinde spielten einander mit sicht- und hörbarer Freude die bunten Ton-Bälle zu. Die Klangfarbe der Lieder wechselte mit den Stimmen und neben den Stimmen wurde von den Älteren des Kinderchores sogar „Body Percussion“ eingesetzt, d. h. in einer recht komplex choreografierten Folge brachten die Kinder durch „Beklatschen“ verschiedene Körperteile zum Klingen. Auch die Zuhörer wurden miteinbezogen und konnten z. B. durch Händereiben akustische Wasserwellen simulieren, die durch das Kirchenschiff wogten.
Als „Mit-mach-Highlight“ entpuppte sich dann aber eine unscheinbare, nicht im besten Ruf stehende Balkonpflanze: „Mein kleiner grüner Kaktus“, die unverwüstliche Nonsens-Ballade der Comedian Harmonists, die nun schon mehr als 90 Jahre überdauert hat – kaum zu glauben, dass ein Kinderchor 2025 dieses Lied mit solchem Enthusiasmus gesungen und getrötet unter die Leute bringen kann, so dass alle begeistert einfallen „hollari, hollari, hollaro!“. Renate Schühle als Chorleiterin dazu: „Das zeichnet eben gute Musik aus, sie überdauert Generationen“ (und das nicht nur bei Johann Sebastian Bach).
So erlebten wir ein gutes Dutzend Chorauftritte der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in verschiedenen Kombinationen; beim Finale standen alle Sänger und Sängerinnen im Altarraum dicht gedrängt und tauchten mit sanften Tönen den Sommerabend in leuchtende Farben. Vielen, vielen Dank für dieses schöne Konzert!
Zum Abschluss brachte es eine Sängerin des Eltern-Projektchores in ihren Dankesworten an das Ehepaar Schühle auf den Punkt: Solch ein Konzert mit so unterschiedlichen Chören auf die Beine zu stellen sei schon eine bemerkenswerte Leistung, besonders da es für den Eltern-Projektchor nur wenige Probentermine gegeben habe und einige Mitglieder zuvor noch nie in einem Chor gesungen hätten! Zutreffend schlussfolgerte sie: Was werden die Chöre tun, wenn Schühles irgendwann einmal in den wohlverdienten Ruhestand gehen?
So bleibt nicht nur die Frage nach der Mindesthaltbarkeit der Milchstraßen-Milch unbeantwortet, sondern leider auch die nach der hoffentlich noch sehr, sehr fernen musikalischen Ebbe in unserer Gemeinde St. Nicolai.
Ein wunderbares Ergebnis war allerdings auch die Spendeneinnahme: Eine hohe dreistellige Summe kam zusammen für den „Elternverein für krebskranke Kinder“ e.V. – großer Dank geht an alle Spender! (mah)